Erfolgsgeschichten

Zwei Gründer mit Herz für Sci-Fi und Unternehmertum: LiveEO überwacht mit Satellitendaten Infrastrukturnetze auf der ganzen Welt

Als Daniel Seidel Mitte des letzten Jahrzehntes neben dem Studium beruflich in den USA unterwegs war, ist die kommerzielle Raumfahrt dort – anders als in Deutschland – in aller Munde. Elon Musk baut die ersten Raketen, Start-ups befördern Satelliten in den Weltraum. Science-Fiction-Fan Seidel, der Maschinenbau und Luft- und Raumfahrttechnik in Aachen studiert hat, ist davon fasziniert. Zudem kommt er bei seiner Arbeit in der Marktforschung mit vielen Unternehmerinnen und Unternehmern ins Gespräch und merkt, dass diese Welt ihn ebenfalls fasziniert. „Etwas mit Raumfahrt gründen“ wird sein Plan.

KI-basierte Software

Realisiert hat er ihn 2018 in Berlin zusammen mit Mitgründer Sven Przywarra: Die LiveEO GmbH erblickt das Licht der Welt. Seither ist das Unternehmen auf imposante 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewachsen, von denen rund 70 in der Entwicklung arbeiten, und kann Kunden auf allen fünf Kontinenten vorweisen. Das Produkt hinter der Erfolgsstory: eine KI-basierte Software, die Satellitendaten analysiert und in nützliche Anwendungen überführt. Welche das sind, zeigt die Lösung für den ersten großen Kunden, die Deutsche Bahn. Sie lässt von LiveEO ihr Schienennetz überwachen und sieht beispielweise, wenn Bäume drohen auf die Schienen zu fallen oder wenn sich der Boden absenkt. Die Anwendung macht die Infrastruktur der Bahn sicherer und verringert die Kosten für die Instandhaltung.

Das Start-up kauft für seine Lösungen Daten vor allem von privaten Satellitenbetreibern ein, es hat zahlreiche Rahmenverträge und nutzt über 300 verschiedene Satelliten. Es analysiert diese mit der selbst entwickelten Software, die maschinelles Lernen nutzt, und stellt die Auswertungen in Anwendungen für den End-User zur Verfügung. Neben dem Monitoring von linearer Infrastruktur wie Stromtrassen, Schienen und Pipelines, mit dem LiveEO gestartet ist, kann die Technik auch für andere Märkte mit ähnlichen Prozessen nützlich sein. Ein Beispiel ist die Forstwirtschaft. Die Berliner Gründer können überwachen, ob in einer Region illegale Abholzungen vorgenommen werden.

Unterstützung durch Berlin Partner und das Enterprise Europe Network (EEN)

Bemerkenswert ist, wie gut die beiden jungen Gründer die Angebote genutzt haben, die im Start-up-Ökosystem Berlin bereitstehen. Gerade die Zusammenarbeit mit Berlin Partner und EEN über mehrere Jahre, aus Sicht der Wirtschaftsförderer eine beispielhafte Client Journey mit vielen Berührungspunkten, zeigt dies auf. Kurz vor der Gründung – und dem Abschluss des Studiums – nahmen Seidel und Przywarra Kontakt mit Berlin Partner auf, die ein Netzwerk für die Raumfahrt initiiert hatten. Die beiden nahmen daran teil und bauten in der Folge ein Meetup für die kommerzielle Raumfahrt in Berlin auf. Und sie veranstalteten im Ludwig-Erhard-Haus, Sitz von Berlin Partner, eine Konferenz mit 250 Teilnehmenden aus der Branche. Meetup und Konferenz unterstützte die Wirtschaftsfördereinrichtung. „Die zahlreichen Kontakte zu Unternehmen haben uns geholfen, unsere Businessidee zu finden. Wir haben bei den Veranstaltungen gelernt, dass die Lücke eher im Bereich der Software als der Hardware liegt. So entstand die Idee zu LiveEO“, erinnert sich Seidel.

Die Kunst, europäische Fördergelder zu gewinnen

Durch die Kontakte mit Berlin Partner entstand auch die Verbindung zum Enterprise Europe Network (EEN). Regelmäßig bekamen die jungen Unternehmer Hinweise zu europäischen Fördermöglichkeiten. Eine besonders interessante ist der EIC-Accelerator. EIC steht für „European Innovation Council“. Das begehrte Förderprogramm steht Einzelunternehmen und Start-ups zur Verfügung.

Im ersten Anlauf scheiterte LiveEO mit seiner Bewerbung. „Nicht aufgeben und sich Unterstützung suchen“, beschreibt Seidel die Haltung, die dem jungen Unternehmen oft geholfen hat. Für die zweite Bewerbungsrunde gaben das Team von Berlin Partner und dem EEN nützliche Praxistipps über den Aufbau der Bewerbung und des Interviews. Im zweiten Anlauf war man erfolgreich, Ende 2022 kam die Zusage. Die Fördersumme in Höhe von 1,7 Mio. Euro nutzt das Unternehmen vor allem, um Forschung und Entwicklung weiter auszubauen.

Nachhaltigkeit unterstützen

Gefragt nach der Vision für die weitere Entwicklung von LiveEO nennt Seidel ein Produkt, das in Kürze gefragt sein wird. Die Europäische Union wird einen Gesetzestext verabschieden, in dem Unternehmen, die Waren wie Kakao, Kaffee oder Fleisch importieren, nachweisen müssen, dass diese aus Gebieten kommen, in denen kein Regenwald gerodet wurde. Diesen Nachweis können die Berliner mit ihrer Lösung erbringen. Und damit ihren Beitrag dazu leisten, dass eine nachhaltige Supply Chain wirklich eingehalten wird.

Apropos Berliner: Das wachstumsstarke Unternehmen hat schon Töchter in den USA und Lettland und ein Büro in Großbritannien. Soll das Headquarter in der Hauptstadt bleiben? „Wir fühlen uns hier sehr wohl!“, betont Seidel, der Sci-Fi-Fan, der als Hintergrundbild im Videocall Masken aus „Star Wars“ zeigt. Schön, wenn die Liebe zu fantastischen zukünftigen Welten einer der Bausteine für eine so erfolgreiche Berliner Firma ist.