Die nach dem Mondstaub greifen: TIWARI Scientific Instruments entwickelt 3D-Druck mit Mondstaub und mehr
Wenn irgendwann in den nächsten Jahren eine Astronautin auf dem Mond landet, aussteigt, den nächsten kleinen Schritt für sich und großen für die Menschheit macht und dann ein Haus benötigt und bald auch neue Handschuhe, weil der Raumanzug Löcher bekommen hat: Wie geht sie vor? Alles Bau- und Nähmaterial von der Erde mitzubringen ist viel zu teuer. Aktuell kostet es eine Millionen Euro ein Kilo von der Erde zum Mond zu transportieren. Besser ist es auf dem Mond mit dem zu arbeiten, was es dort reichlich gibt: Mondstaub. Das ist der Sand des Mondes, eine bis zu 15 Meter dicke Schicht. Mondstaub hat für den Menschen nicht nur günstige Eigenschaften, denn er ist sehr scharfkantig und fest. Aber wenn es nach Siddharth Tiwari geht, der 2019 TIWARI Scientific Instruments (TSI) gegründet hat, dann wird der Staub genutzt, um mit der Fused Filament Fabrication (FFF)-Technologie Infrastukturen und Textilelemente herzustellen. Von der Erde mitbringen muss die Astronautin dann nur den thermoplastischen Kunststoff, der zusammen mit dem Mondstaub als Material dient, und einen 3D-Drucker – am besten von TSI.
Berlin engagiert sich intensiv für junge Unternehmen
Siddharth Tiwari ist stolz darauf, mit dem Start-up für zwei Jahre im Inkubator der European Space Agency „ESA BIC“ in Darmstadt „gewachsen“ zu sein. Der vielsprachige Gründer, aufgewachsen in Indien, hat in Mumbai seinen Bachelor in Maschinenbau absolviert und dann in Mailand den Master in Raumfahrttechnik. 2013 kam er nach Berlin und arbeitete in Unternehmen der Luft- und Raumfahrttechnik. Die Gelegenheit, am ESA BIC (Business Incubation Center) teilzunehmen hieß für ihn, einen Traum zu verwirklichen, und sorgte für den Ausflug nach Darmstadt. Gerade verlagert der Unternehmer den Hauptsitz wieder nach Berlin. „Wir haben hier allerbeste Bedingungen. Wir profitieren von Branchennetzwerken wie beispielsweise dem ‚Innovation Network for Advanced Materials‘ und der starken Arbeit von Berlin Partner und EEN mit ihren zahlreichen Angeboten. Wir finden Fachkräfte dank der Berliner Universitäten. Und unser Standort im Technologiepark Adlershof passt perfekt zu unserer Ausrichtung“, lobt Tiwari überzeugend die Strukturen vor Ort.
Konkrete Hilfe durch das EEN Berlin-Brandenburg
Natürlich gehört auch das Engagement des jungen Unternehmers selbst dazu, der auf Netzwerk-Veranstaltungen ging und dort die entsprechenden Kontakte zu den Wirtschaftsfördereinrichtungen knüpfte. „Das hat sich für uns sehr konkret ausgezahlt. Unser Ansprechpartner beim Enterprise Europe Network, DEUTSCHLAND | Berlin-Brandenburg Jens Woelki, hat mich auf das EU-Förderprogramm ‚Galactica‘ hingewiesen, das die Vernetzung von europäischer Luft- und Raumfahrt mit der Textilindustrie zum Inhalt hat. Dadurch angeregt haben wir mit zwei Partnern, die wir schon kannten, dem französischen Unternehmen Spartan Space und der Hochschule Aalen in Baden-Württemberg, eine Projektidee entwickelt. EEN hat dann wieder bei der Antragstellung geholfen, um sicherzustellen, dass wir die Kriterien für die Ausschreibung erfüllen. Zuvor hatte EEN das Start-up bereits beim Projekt AMable begleitet. In diesem Rahmen skizzierte TIWARI Scientific Instrument zusammen mit Berliner Firma Nano-Join ein Additiv Manufacturing-Verfahren zum Drucken komplexer 3-dimensionaler Verbindungen aus Silber auf Folien zum Sintern für elektrische, elektronische und elektromechanische Komponenten, Stanzteile und Drahtbonding. Das Galatica-Projekt, das den futuristischen Namen TXTHAB-3D trägt, ist im September 2021 gestartet. Es soll auch dabei helfen, das junge Unternehmen weiter in Richtung Produktanbieter und Hersteller von 3D-Druckern zu entwickeln.
Kostengünstiger Druck kleiner Auflagen
Im Moment zeichnen drei Merkmale TIWARI Scientific Instrument aus: ein tiefes Know-how für den komplexen Prozess des 3D-Drucks für Metall und Keramik (und auch Mondstaub), der Fokus auf den Drucker selbst, hier hat man schon eigene Modelle entwickelt, und eine Testreihe der ESA für die Druckergebnisse, dank derer das Start-up konkret aufzeigen kann, welche Materialeigenschaften erzielt werden, was bisher noch nicht alltäglich ist. Der Markt für die modernen Druckverfahren, mit denen sich TSI beschäftigt, ist jenseits des Mondes noch viel größer. „Für mich ist der Filament-Druck keine disruptive Technik, sondern eine Weiterentwicklung. Bei TIWARI Scientific Instruments mischen wir beim Drucken Plastik mit Hochleistungsmaterialien wie Metall oder Keramik. Anschließend wird dem Objekt in einer Wärmebehandlung zunächst das Plastik wieder entzogen, wodurch Löcher entstehen, und dann das Material verdichtet, damit die Löcher wieder geschlossen werden. Und so bekommt man ein Objekt aus Metall beziehungsweise Keramik! Die Wärmebehandlung ist alt, aber worauf wir jetzt verzichten können, ist die Gussform, die für jedes Design im herkömmlichen Spritzgussverfahren hergestellt werden musste. Damit können kleinere Auflagen bezahlbar hergestellt werden und die Technik wird auch für KMU attraktiv.“ Zukünftige industrielle Kunden für das Unternehmen werden sicher zunächst auf der Erde zuhause sein. Aber wenn das erste KMU auf dem Mond eröffnet, könnte es einen Drucker aus Adlershof nutzen.